Lange Zeit waren Faszien im Bereich des sportlichen Trainings, in der Medizin und in den meisten Therapieformen nicht von Bedeutung. Trotzdem gab es einige Pioniere, die schon Ende des 19. Jahrhunderts, bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Faszien arbeiteten. Dies waren zum Beispiel Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie oder auch Ida Rolf, die Begründerin des Rolfing und der Strukturellen Integration. Mittlerweile kann man Faszien gar nicht mehr aus den aktuellen Bewegungs- und Therapiekonzepten wegdenken, obwohl längst noch nicht alle manuell praktizierenden dies verinnerlicht haben. Die Berücksichtigung und Integration von Faszienstrukturen in die Therapie und das Training hat uns gezeigt, dass man oftmals wesentlich schnellere und effektivere Erfolge erzielen kann, als bisher.
Wie kann man sich Faszien vorstellen?
Faszien sind alle kollagenen, faserigen Bindegewebe, als Teil eines körperweiten Fasziennetzes. Sie umgeben jeden Muskel und jedes Organ und vernetzen so viskoelastisch jede funktionelle Körpereinheit mit nah und weit entfernten Strukturen. Dabei können sie mal fester und mal flüssiger sein, je nachdem, wie unterschiedlich die Anteile an festen Fasern (z.B. Elastin und Kollagen) und Wasser ist. So geben sie dem menschlichen Körper seine Form und Funktion.
Faszien als Informationssystem:
Das fasziale Netzwerk gilt als körperweites Informationssystem (Matrix). Es leitet eine riesige Menge von Impulsen und Reizen an das Gehirn und das Nervensystem weiter (sogenannter sechster Sinn). Hierzu zählen Informationen über Bewegungen, Lage, Spannung, Druck und Schmerzen. Aber auch das Immunsystem ist eng mit den Faszien verbunden.
Faszien und Bewegung:
Bezogen auf Bewegungen sind Faszien elementar wichtig. Sie übertragen Spannungen und Kräfte von Muskeln auf Sehnen, Bänder und letztendlich auf die Knochen, indem sie Energien speichern und katapultartig wieder abgeben können. Bei elastisch-federnd ausgeführten Bewegungen kommt dies ganz besonders zum Tragen.
Faszien sind aber nicht nur für dynamische, sportliche Bewegungen wichtig, sondern auch für den Schutz und die Anordnung unserer Organe (sie halten alles an ihrem Platz), die menschliche Statik, und die Körperhaltung. Sie regieren auf Belastung, Druck, An- und Entspannung. Bei starker Belastung werden Faszien dicker und fester, ohne Belastung weicher. Aus diesem Grund ist bei Reitern auch die Innenseite der Oberschenkel sehr fest und die Außenseite eher weich. Bewegt sich ein Mensch immer gleichartig oder sitzt zum Beispiel den ganzen Tag, passen sich auch bei ihm die Faszien auch dieser Belastung an. Der Mensch bildet an den stärker belasteten Stellen (zum Beispiel der Lumbalfaszie am unteren Rücken) mehr Fasziengewebe aus. Die Tücke dieser Anpassung ist, dass grade an hoch belasteten Stellen, die nur einseitig bewegt und belastet werden, Faszien ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Dicke erreichen können. Sie verlieren hier an Elastizität, können verkleben und sogenannte Cross-Links ausbilden, was sie fester und unelastischer werden lässt. Dies geht häufig auch damit einher, dass ihre Wasserbindungsfähigkeit nachlässt, was sie gelartig werden lässt. Wahrgenommen werden solche Prozesse oft dadurch, dass man sich steifer und unbeweglicher fühlt, sowie hartnäckige Verspannungsbeschwerden entwickeln kann.
Faszien und Tensegrity:
Faszien brauchen Bewegung, um elastisch und funktionsfähig zu bleiben. Idealerweise sollte diese Bewegung die Faszien in all ihren dreidimensional angeordneten Richtungen anregen. Dies wird auch dadurch begründet, dass Faszien im Körper in einem sogenannten Tensegrity Modell angeordnet sind (Tension = Spannung und Integrity = Zusammenhalt). Dieses Modell kann man sich so vorstellen, dass die Knochen eines Körpers in einem Meer aus spannungsverwobenem Gewebe "schwimmen", ohne sich auch nur an einer Stelle zu berühren. In unserer Vorstellung können wir daraus vielleicht auch schliessen, dass je aufgespannter ein System ist, umso mehr Platz zwischen den Knochen ist, was bedeutet, dass das System Körper flexibler und dynamischer arbeiten kann, je aufgespannter und ganzheitlich trainierter es ist. Umgekehrt ist es so, dass wenn dieses System an nur einer Stelle verklebt ist (zum Beispiel durch Narben, einseitige Belastung, Gewebeentzündung etc.), sich dies sofort auf das gesamte Spannungsgefüge auswirken kann, weswegen ein nicht behandeltes funktionelles Problem oder manifestes Strukturproblem sich in unserem Körper nach Monaten bis Jahren auch plötzlich an einer ganz anderen Stelle bemerkbar machen kann, ohne dass man dies in einen Zusammenhang bringt.
Wie kann ein ideales Faszientraining aussehen?
Ein ideales Faszientraining setzt Impulse auf alle strukturellen und funktionellen Eigenschaften der Faszien. Es besteht aus vier Trainingsprinzipien:
1) Faszien Release mit Rollen und Bällen:
Dieses belebt nach therapeutische Beobachtung die Faszien und führt zu einer besseren Versorgung des Gewebes mit Wasser und Nährstoffen. Zudem löst es zunehmend verklebte Faszien und regt die Neubildung von elastischen Faserstrukturen an.
2) Fasziales Stretching:
Faszien wollen dreidimensional bewegt und gedehnt werden, damit sie dauerhaft elastisch und geschmeidig bleiben. Fasziendehnungen werden nicht eindimensional, sondern dreidimensional, in verschiedene Richtungen durchgeführt. Sie enthalten sowohl schmelzende Dehnungen, als auch Power Stretches und kleine federnde Wellenbewegungen in ständig wechselnden Richtungen.
3) Rebound Elasticity:
Um die elastischen Speicherkräfte von Faszien zu trainieren, werden regelmäßig lockere Sprung- oder Federübungen eingebaut. Diese kann zudem die Kollagensynthese anregen. Alleine eine kurze Einheit von leicht-elastischen Federübungen am Tag (z.B. beim Zähneputzen) kann hier immense Effekte auf das Bindegewebe haben.
4) Propriozeptive Refinement:
Studien haben festgestellt, dass Menschen umso eher unter Schmerzsymptomatiken leiden, je schlechter ihre Körperwahrnehmung und das Körpergefühl sind. Dies liegt daran, dass bei diesen Menschen die vielen Rezeptoren in den Faszien einfach zu wenig trainiert wurden und diese dadurch schneller auf unterschiedliche, ihnen unbekannt Reize mit Alarmsignalen reagieren. Aus diesem Grund beinhaltet ein ganzheitliches Faszientraining verschiedenste Übungen zur Verbesserung der Sensomotorik und Körperwahrnehmung.
Faszien und Stress:
Faszien können einigen wissenschaftlich Hinweisen nach, auch auf Stress reagieren, wobei man sich hier in ständiger Beobachtung und Forschung befindet. In einem Versuchsmodell in einer Petrischale konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass Faszien sich bei Kontakt mit dem Stresshormon Cortisol, zusammenziehen können. Aus diesem Grund macht es Sinn ein Faszientraining auch immer mit Entspannungs- und Atemübungen zu kombinieren.
In meiner Praxis erstelle ich meinen Patienten gerne ein individuelles, auf ihre Beschwerden und körperlichen Möglichkeiten abgestimmtes Faszientrainingsprogramm. Ich orientiere mich hierbei am Beschwerdebild, sowie an den in den Behandlungen festgestellten Dysfunktionen und Dysbalancen. Einfliessen lasse ich in die Trainingsprogramme Übungen aus meinen Ausbildungen als Faszial Fitness Trainerin, Advanced und Mastertrainerin bei Prof. Dr. Robert Schleip, sowie meinen Ausbildungen in der Golgi Schmerztherapie, der Liebscher und Bracht Bewegungslehre, sowie aus dem TigerMoves Faszientraining.
Mein Buch mit Trainings-DVD zum Faszientraining:
"TigerMoves - Die Faszienform" (von Sandra Kottkamp, Claus Fischer und Christian Schmidt) können Sie auch u.a. im SanTerris Shop erwerben unter: